Zum Tode von Prof. em. Dr. Hans Ulrich Seeber

17. Februar 2025

* 13.02.1940 † 25.01.2025

Wir trauern um unseren Emeritus, Prof. Dr. Hans Ulrich Seeber, der von 1984 bis 2005 in über zwanzig Jahren als Lehrstuhlinhaber für Neuere Englische Literatur am Institut für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart das Fach nachhaltig geprägt und modernisiert hat. Als Lehrer, Kollege und Freund stand er uns auch nach seiner Emeritierung als geschätzter Gesprächspartner und kluger Ratgeber zur Seite.

Als Hans Ulrich Seeber 1984 den Ruf nach Stuttgart erhielt, war er anglistischer Lehrstuhlinhaber an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied der interdisziplinären Forschungsgruppe zur Funktionsgeschichte literarischer Utopien in der frühen Neuzeit am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Mit seinem Ruf an die Universität Stuttgart nahm Hans Ulrich Seeber zugleich die Herausforderung an, die Anglistik innerhalb der naturwissenschaftlich-technisch ausgerichteten Universität Stuttgart auszugestalten. Diese interdisziplinäre Ausrichtung hat er zum integralen Bestandteil seiner Lehre und Forschung gemacht und damit einen Weg eingeschlagen, der die Anglistik (nicht nur in Stuttgart) wesentlich geprägt hat.

Im Jahr 1991 gelang ihm mit seiner Englischen Literaturgeschichte im Metzler Verlag (mittlerweile in der fünften Auflage) jener große Wurf, von dem andere Literaturwissenschaftler*innen nur träumen können. Er hat damit ein vorbildliches Standardwerk geschaffen, in dem die Geschichte der Literatur im Lichte des Modernisierungsprozesses gelesen wird. Die Aufgabe des Literaturwissenschaftlers verstand Seeber als kulturwissenschaftlich ausgerichtete Rekonstruktion kultureller und ästhetischer Formationen. Über viele Jahre gab er mit Anglia die traditionsreichste anglistische Zeitschrift in Deutschland heraus und öffnete auch sie für interdisziplinäre kulturwissenschaftliche Fragestellungen.

So war es alles andere als Zufall, dass Hans Ulrich Seeber, der 1986/87 das Amt des Dekans der damaligen Fakultät Philosophie begleitet hatte, 2000 in das Direktorium des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung (IZKT) gewählt wurde. Zwei internationale Tagungen des IZKT anlässlich seiner Emeritierung 2005 zeigten die thematische Vielfältigkeit und fachliche Breite des auch in den folgenden zwanzig Jahren unvermindert von theoretischer Neugierde beseelten Forschers: Magie, Wissenschaft, Technologie und Literatur bezeichnete den thematischen Rahmen des einen, der Krimkrieg als erster europäischer Medienkrieg den des anderen Symposiums, die beide in der Reihe Kultur und Technik des IZKT publiziert wurden.

Seinen beiden Töchtern Susanne und Anne-Katrin widmete Hans Ulrich Seeber 2007 den Band Mobilität und Moderne: Studien zur englischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Ein wahrer Paukenschlag gelang ihm mit seinen Arbeiten zur ästhetischen Kategorie der Faszination, die er 2012 in seiner breit rezipierten Monographie Literarische Faszination in England um 1900 zusammenfasste. Zu seinem anderen großen Thema, der Utopie, kehrte er 2017 mit dem Band Globalisierung, Utopie und Literatur: Von Thomas Morus (1516) bis Darcy Ribeiro (1982) zurück. Noch inniger verbunden fühlte er sich einem Ökologie, Ästhetik und Politik zusammenführenden Thema, das er vor gut zwei Jahren in der umfangreichen Studie Idylle und Geschichte: Studien zur europäischen Idylle von Vergil bis W. H. Auden in den Horizont des bereits angesprochenen Modernisierungsprozesses stellte.

Ein solch reiches Forscherleben brachte namhafte Schülerinnen und Schüler hervor und viele Generationen von Studierenden. Dafür sagen wir Hans Ulrich Seeber unseren herzlichsten Dank. Er wird uns fehlen – als Freund und Gesprächspartner, der die Entwicklungen in der Anglistik und der Abteilung auch weit über seine Emeritierung hinaus begleitet hat. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.                                                                             

Die Abteilung für Englische Literaturen und Kulturen des Instituts für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart.

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