Bernharts Buch behandelt Volksschauspiele. Seit Jahrzehnten waren diese kein Thema der Literatur- und Theaterwissenschaft mehr. Anders als die ältere Volksstück- und Volksschauspielforschung des 20. Jahrhunderts, die das Volksschauspiel als essentialistisches Phänomen zu begründen suchte, nimmt Bernharts Buch sehr unterschiedliche Imaginationen von Volksschauspiel und Volksstück synoptisch in den Blick: Bauernstücke und Passionsspiele, patriotisches Nationaltheater und militärisches Propagandastück des späten 18. Jahrhunderts, Legendenspiel, Ritterspektakel und Brauchtumsspiel des 19. Jahrhunderts, aber auch Massenfestspiel, Thingspiel, Agit-Prop- und Arbeitertheater, Antivolksstück und soziales Drama des 20. Jahrhunderts. Das Buch rekonstruiert die Genese des Volksschauspiels vom 18. bis zum 21. Jahrhundert und verortet die unterschiedlichen Formationen in ihren jeweiligen literarischen und theatergeschichtlichen Kontexten. Es gibt Antwort auf die Fragen, ob und inwiefern Volksschauspiel als Idee, Imagination, dramatische Gattung oder als Behauptung gelten kann. Kommentierte Textbeispiele, die von Johann Gottfried Herder bis Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek reichen, begleiten die literaturwissenschaftliche und dramenkundliche Studie.
Das Buch entstand in wesentlichen Teilen im Rahmen des ERC-Forschungsprojekts „DramaNet – Early Modern European Drama and the Cultural Net“ (Leitung: Joachim Küpper) an der Freien Universität Berlin, wurde an der Universität Stuttgart fertiggestellt und 2017 von der Philosophisch-Historischen Fakultät als Habilitationsschrift angenommen. Gutachterinnen und Gutachter waren Andrea Albrecht, Sandra Richter und Joachim Küpper.